Donnerstag, 7. Oktober 2010

1. Bericht - Favela Monte Azul, São Paulo

Hallo ihr Lieben!

Wir sind gestern gegen 4:50 Uhr wohlbehalten in Sao Paulo gelandet. Wir hatten einen guten Flug mit wunderbarer Sicht: Die Küste Portugals hinter uns, unendliche blaue Weiten unter uns – Konturen von Himmel und Wasser gingen verloren. Sprachlos wurden wir beim Anblick der Nordostregion Brasiliens: die Gegend, die wir sonst in fruchtbarem Grün kennen, lag braun und vertrocknet da. Ein eindrücklicher Beweis für die Trockenperiode, die eventuell noch während unserem Aufenthalt zu Ende geht.

In Sao Paulo haben wir nach kurzem Warten Claudinha und Marcia getroffen, die uns mit dem Auto vom Flughafen abholten. Mit dem Auto ging es über eine Stunde quer durch die Stadt. Zunächst über vierspurige Straßen, die zum Teil sechsspurig genutzt werden. Im dichten Verkehr starteten die Motorradfahrer atemberaubende Überholmanöver. Man überholt rechts und links und zwischen zwei Autos hindurch und anhaltendes Hupen soll als Lebensversicherung gelten.

Riesige Hochhäuser und viele Lichter waren in der Dämmerung zu sehen. Zunächst war nichts von ärmeren Stadtteilen zu sehen. Doch dann fuhren wir an ausgebrannten Häusern vorbei: In der vergangenen Woche war hier eine Gasleitung explodiert und sämtliche Baracken waren vollkommen niedergebrannt.

Nun bogen wir endlich von der breiten Schnellstraße ab und plötzlich gab es keine Verwechslungsmöglichkeit mehr. Das hier war unverkennbar Brasilien. Unzählige Leute auf der nächtlich belebten Straße, Garagen, die als kleine Geschäfte eingerichtet waren, Telefonleitungen quer über die Straße gespannt, Häuschen und Baracken stapeln sich übereinander. Dass das Auto die steilen Hänge hinauf kam verwunderte und zunehmend.

Schließlich hielten wir vor einer kleinen Garage und ein kleines, dunkelhäutiges Mädchen stürmte auf die Straße und schloss uns sobald wir aus dem Auto gestiegen waren fest in ihre kleinen Arme. Die neunjährige Bianca ist die Enkelin von Claudinha und zeigte uns fröhlich das ganze Haus. Der kleine Ess- und Wohnraum, ein winziges Bad, dann ein breiterer Raum auf dem Flur, der für uns mit Matratzen ausgelegt wurde, eine kleine Küche, ein Waschraum. Im zweiten Geschoss befinden sich drei Schlafzimmer und ein weiteres Bad. Auf der Terasse stockte uns der Atem: direkt hinterm Haus erstreckt sich unverkennbar eine Favela.

Doch Bianca ließ uns nicht verweilen. Flink lief sie vor, um uns auch das Haus ihrer Mutter zu zeigen. Wohnraum und Küche sinnd ein Raum, ein Schlafzimmer grenzt an, in dem ihre Mutter wohnt. In einem Zimmerchen, das kaum größer als ein Bett ist, wohnt die kleine Bianca. „Das ist mein Zimmer: klein, aber optimal.“.

Nachdem wir unsere Taschen abgestellt hatten, bereiteten wir gemeinsam mit Claudinha das Abendessen zu. Wie könnte es anders sein? Reis mit Bohnen! Nebenbei machten wir mit Bianca Hausaufgaben, die mitten in der Küche an einem kleinen Tischchen saß.

Hungrig und erschöpft von der langen Reise aßen wir das Abendbrot. Bald kam auch die große Tochter von Claudinha, Adriana, nach Hause und begrüßte uns liebevoll. Während wir uns auf unsere Matratzen zurückzogen wurde das Haus allmählich voller. Simone und Lina, zwei Volontäre aus Deutschland kamen nach Hause und brachten den Freund Adriano mit. Wir vier Mädels hätten noch ewig die ersten Eindrücke austauschen können, aber nach mittlerweile 24 Stunden auf den Beinen waren wir nach kurzer Zeit eingeschlafen und wachten erst im Morgengrauen wieder auf.
Wir fühlen uns pudelwohl: die Einfachheit der Unterkunft und der immer wieder entschuldigte Lärm von der Straße (Motorräder, Autos, Jugendliche...) stören uns nicht im Geringsten. Nicht einen Moment lang werden wir uns in diesem Haus vergessen, dass wir uns in Sao Paulo befinden, inmitten einer Favela, im Herzen einer Familie, die uns mit offenen Armen empfangen hat.

Bis bald, Larissa

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