Dienstag, 19. Oktober 2010

3. Bericht - Belo Horizonte

Am Freitag, 15. Oktober, sind wir nach einer 7-stuendigen Busfahrt von Rio de Janeiro, in Belo Horizonte angekommen. Im Kolpinghaus, das fuer die naechsten Tage unser zu Hause wird, wurden wir herzlich und mit vielen regionalen Koestlichkeiten, wie zum Beispiel Pão de Queijo, eine Art Kaesebroetchen, empfangen. Das Kennenlernen der Stadt und der Projekte einiger Kolpinggemeinden stand fuer die naechsten Tage auf dem Programm. Wir besuchten eine Markthalle und einen riesigen Markt in der Mitte der Stadt. Dort gab es alles zu kaufen. Von Kleidern, Schmuck und Kunsthandwerk, ueber Medizin, Tieren bis hin zu typischem Essen aus Minas Gerais, dem Bundesstaat, in dem wir uns gerade befinden.
Abends konnten wir das Lichtermeer der 4-Millionen Stadt von der Praça do Papa (dem Papstplatz) aus bewundern.

Wir lernten drei verschiedene Kolpingfamilien in und ausserhalb von Belo Horizonte kennen. Dort haben wir einige Eindruecke in die soziale Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gekriegt. Es gab Kinderkrippen und Kindergaerten, eine andere Kolpingfamilie bietet Informatikkurse fuer Jugendliche an, sowie Gitarrenunterricht, zudem finden noch Schneiderkurse fuer Frauen und Gymnastikkurse fuer alte Menschen statt. Zwei mal in der Woche kommt ein Psychologe und ein Zahnarzt. Fuer die Kurse leisten die Teilnehmer einen Eigenanteil. Die restlichen Kosten werden von der Kirchengemeinde, Stadtverwaltung und/oder Partnerschaften finanziert. Die dritte Kolpinggemeinde, die wir besuchten bietet zudem noch Ausbildungskurse fuer Jugendliche an.
Hier in Brasilien ist das Ausbildungssystem anders aufgebaut, da meistens weder die Firmen noch die Schulen die Jugendlichen genuegend vorbereiten. Dafuer gibt es diese Zwischenausbildung in den Kursen, wie sie zum Beispiel bei Kolping stattfinden. Die Kurse beruhen auf der Theorie, in der Praxis wird erst dann gearbeitet, wenn die Jugendlichen eine Anstellung in einer Firma bekommen.

Ganz wichtige Erkenntnisse fuer unsere Projekte in Piaui haben wir gesammelt, als wir Gespraeche mit den Koordinatoren von Kolping gefuehrt haben. Uns wird immer mehr bewusst, wie wichtig es ist, dass wir am Kern der Problematik, der Abwanderungsproblematik, anzusetzen. Wir haben uns in São Paulo, Rio de Janeiro und jetzt auch in Belo Horizonte davon ueberzeugt, dass das Leben nicht einfacher wird, wenn man in die grossen Staedte zieht. Man ist nicht nur weit weg von seiner Familie, sondern verliert auch die Tradition seiner Kultur und Lebensgewohnheiten und somit die Beziehung zu einem menschenwuerdigen Leben. Durch die grosse Einsamkeit und dem Mangel an sozialen Kontakten, die in einer Grossstadt zunaechst schwieriger zu knuepfen sind, als in einer kleinen Gemeinde, verfallen viele den Drogen, um zumindest fuer Augenblicke dem graesslichen Leben zu entfliehen. In der Grossstadt wird alles schnelllebig und unpersoenlich, Geld ist schwierig zu verdienen.

In den Gemeinden gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Kindern und Erwachsenen als sehr kompliziert. Die Eltern gehen frueh morgens zum Arbeiten in die Grossstadt aus dem Haus und kommen spaet am Abend wieder und haben nicht die Zeit und das Interesse sich ihren Kindern zu widmen. Diese erleben kein nettes Familienbeisammen und eine respektvolle Gemeinschaft , wie sollen sie spaeter Respekt gegenueber anderen Menschen haben?
Ausserdem scheint eine ausreichende Bildung nicht im Interesse vieler zu sein. Der Bedarf an Nahrung, Kleidern und Unterkunft ist offensichtlicher, die Bildung wird dabei oft vergessen.

Eine andere Kolpinggemeinde, etwa 20 km von der Innenstadt entfernt, berichtet von der hohen Kriminalitaetsrate. Hier wird es ganz offen vor Auge gefuehrt, da dieses Dorf aus fuenf Gefaengnissen mit insgesamt 5000 Insassen besteht. Die Dorfgemeinschaft besteht zum Teil aus den Angehoerigen der Insassen, die aus der ganzen Region zugezogen sind. Durch die Naehe zur Grossstadt kann sich kein eigenes behuetetes Gemeindeleben entfalten, der Respekt vor den Mitmenschen ist nicht vorhanden.


Wir sind dankbar, die ganzen Erfahrung auf dieser Reise machen zu duerfen, um Hintergruende besser zu verstehen und in die brasilianische Kultur einzutauchen.

Liebe Gruesse aus Belo Horizonte
Louisa

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